1896 - 1916
I.
Mit Blut geschrieben ist des
Jahrs Geschichte,
Mit Blut getauft ist jeder
junge Tag,
Mit Blut verklingt sein
letzter Glockenschlag,
Durch Blut ringt sich die
Nacht zum neuen Lichte.
Das Schwert dient jetzt der
Wage zum Gewichte,
Das Schwert ersetzt der
frommen Sichel Schlag,
Das Schwert löst Bündnis und
beschließt Vertrag,
Das Schwert nur weist dem
Schicksal Ziel und Richte.
Und neben Blut und Schwert
stellt sich die Not,
Der Mut entrollt die Fahne
stolzer Krieger,
Die Pflicht erläßt ihr
eisernes Gebot.
Doch als der unbezwinglichste
Despot
Geht übers Schlachtfeld jetzt
der große Sieger,
Dem alles unterworfen ist, der
Tod.
II.
Ich bin der Herr, du sollst
auf mich vertrauen!
Ich bin der Herr des Friedens
und der Schlachten.
Ich kann die Augen deines
Feinds umnachten
Und um dich eine feste Mauer
bauen.
Drum sollst du nur auf meine
Werke schauen
Und sollst der Menschen
schwache Tat verachten,
Ich kann allein erleichtern
und befrachten
Mit Sieg die Wage oder Todesgrauen.
Mir steht es an, zu richten
und zu rechten,
Die Welten beugen sich vor
meinem Wollen,
Ein Wink macht euch zu Herren
oder Knechten.
Und ob dier kleinen Menschen
hämisch grollen,
Ich biete Schutz und Schirm
den treu Gerechten,
Die mich erkennen und mir
Ehrfurcht zollen.
III.
Ja, vor dem Kaiser senkt
zuerst die Speere!
Er bahnt uns guten Weg mit
seinem Schwert,
Er schützt uns sicher Haus und
Hof und Herd,
Er führt gewaltig unsre
deutschen Heere.
Auf ihm ruht dieser Zeiten
ganze Schwere,
Doch trägt er stolz die Last
und unversehrt,
Er kennt des goldnen Reifes
heil’gen Werrt,
Und über alles hoch setzt er
die Ehre.
Drum sollt ihr ihm die erste
Palme reichen!
Die ihr des deutschen Volkes
Kinder seid,
Dem Vater folgt und achtet auf
sein Zeichen,
Mit Herz und Hand und Waffen
treu bereit.
Von seinem Thron nicht wanken
und nicht weichen
Sei euer Wille, fest in Kampf
und Streit.
IV.
Wo, stolzes Albion, ist deine
Flotte?
Wo sind die Siege, die du uns
versprochen?
Wie? Hätte sich die
Herrscherin verkrochen
Vor ihrer Feinde übermächt’ger
Rotte?
Ruht sie vielleicht verträumt
in einer Grotte
Und schwärmt davon, die Welt
zu unterjochen?
Indes bereits die Ratten,
vorgebrochen,
An ihrem Prunkkleid nagen, wie
zum Spotte?
O nein! Wie könnt ihr so zu
höhnen wagen?
Die Meerbeherrscherin schwingt
die Paniere
Und ist schon drauf und dran,
den Feind zu schlagen.
Nur hat sie’s nimmer nötig, im
Turniere
Den eignen Leib zum Kampfe
anzutragen –
Siegt sich’s doch leichter
bloß auf dem Papiere!
V.
Die Welt ist voll vom Ruhme
unsrer Taten,
Als Helden, Retter will man
uns verehren.
Allein wir wollen diesem Lobe
wehren,
Wir übten nur die Pflichten
des Soldaten.
Gewiß, wir trotzten Kugeln und
Granaten,
Wir lernten großes Leisten und
Entbehren,
Vom Lebensernst empfingen wir
die Lehren
Und manches Glückes mußten wir
entraten.
Doch sollt ihr uns nicht
überheblich preisen,
Als Deutschlands Söhne haben
wir gestritten
Auf deutsche Art, nach guten
deutschen Sitten,
Wie es seit alters die
Geschichten weisen,
Und sind wir siegreich aus dem
Kampf geschritten,.
So dankt’s dem deutschen Geist
von Erz und Eisen.
VI.
Und ob der Regen stürzt wie in
Kaskaden,
Und in den Gräben gelb die
Wasser schäumen,.
Wir denken nicht zu weichen,
noch zu räumen
Die erdgewurzelt stehn, die
Pallisaden.
Wir singen mit ins Lied der
Kanonaden
Und haben Müh, den wilden Mut
zu zäumen.
Nur manchmal kommt ein
leisverklärtes Träumen
Wie heimatfernen Rittern in
Balladen.
Dann sehen wir im Geiste ein
Phantom
Und wähnen bei uns liebende Gesichter.
Gestalten lösen sich im
Nebelstrom
Und drängen wachsend sich und
werden dichter,
Bis sie zerspringen in dem
Blitz der Lichter,
Die Schrapnells werfen gen den
dunklen Dom.
VII.
Nur selten kommt ein Stern auf
in den Schwaden,
Die drohend hängen in den
hohen Zelten,
Und bringt uns Kunde von den
andern Welten,
Die droben hell zu
Friedensfesten laden.
Nur manchmal können wir das
Antlitz baden
Im Licht des Mondes, und wir
möchten schelten,
Allein das wäre frevelndes
Entgelten,
Ein zager Strahl schon kann
uns reich begnaden.
Da blicken manche auf, und in
den harten
Zielsichern Augen glänzt ein
mildes Beten,
Ein träumerisches, sehnendes
Erwarten.
Und jäh verlischt der Stern,
zu dem sie stehen...
Sie aber, dankbar schon des
Grußes, treten
Gestärkt und neu gefestigt an
die Scharten.
VIII.
Ich habe oft gesehen, wie
Granaten
Mit Donnern in die Deckung
berstend krachten,
Wie sie die Toten aus den
Gräben brachten,
Doch klagte niemals einer der
Soldaten.
Stumm beugten sie das stolze
Haupt und traten
Demütig vor, die Sieger wilder
Schlachten,
Und knieten hin versunken, und
bedachten
Der toten Freunde lebensfrohe
Taten.
Nur war der hohe Ernst in den
Gesichten
Mit hartem Meißel wuchtig
eingegraben,
In allen Zügen malte sich
erhaben
Ein schwerer Kampf und
schmerzliches Verzichten.
Doch sah ich von den Männern
und den Knaben
Nie einen ohne große
Zuversichten.
IX.
Ich mag dich nicht bei mir zu
Gaste bitten,
In meiner Hütte ist kaum Platz
für zwei.
Auch hab’ ich Brot nur und ein
wenig Brei –
Allein du kennst ja unsre
kargen Sitten.
Nun, wenn du willst, so setze
dich inmitten
Und nimm vorlieb mit unserm
Einerlei.
Du sollst nicht sagen, daß ich
geizig sei,
An meinem Tische bist du wohl
gelitten.
Ja freilich, man kann unser
Mahl bekritteln,
Denn es ist einfach, ja zu
einfach fast,
Doch ist’s gesund, und keiner
hat zu wählen.
So schmeckt’s denn allen in
den grauen Kitteln,
Und jeder hat den andern gern
zu Gast.
Drum iß und trink, du wirst
die Kost nicht schmälen.
X.
Spürst du die weißen Nebel
niedertauen
Auf unsre stille, angestrengte
Wacht?
Fühlst du mit mir das Wunder
dieser Nacht?
Sie will uns heimlich etwas
anvertrauen.
Hörst du, wie es uns Kunde in
den lauen,
Regsamen Winden lächelnd
hergebracht?
Der Himmel läßt uns seine
holde Pracht
Und seinen zauberhaften
Frieden schauen.
Wie Harfenklänge rauscht es in
den Bäumen
Und flüstert süß ins
aufmerksame Ohr –
Und sieh: wir wollen
träumen... leise träumen...
O Himmel, schließ dein hohes
Segenstor!
Wir dürfen ja in deinem Reich
nicht säumen,
Uns singt der Schlachtlärm
Melodien vor!
3.
Wohl kenn’ ich auch des Mannes
heil’ge Pflichten,
Den Kampf für Kaiser, König,
Vaterland.
Der hat mein tiefstes Wesen
nicht erkannt,
Der meint, ich könne schwärmen
nur und dichten.
Auch ich bin auserkoren,
mitzurichten,
Es trug des Kriegers Wehr auch
diese Hand,
Mein Leib ist schon gezeichnet
und gebrannt,
An Wange, Arm und Fuß kann man
es sichten.
So ist’s, so war es mir
vergönnt zu fechten
Für meines Königs mütterliches
Reich.
Zählt mich drum nicht zur
Schar der Lauen, Schlechten;
Ist auch von Liebe meine Seele
weich,
Träum’ ich mich wund und weh
in toten Nächten,
Bin ich doch Mann, und einer
von den Rechten!
4.
Herzzwingerin, die mich
zufrühst bezwungen
Und in mir zeugte erste
Liebeskraft,
Glutschürende, die mich
entfacht zur jungen
Undämmbar jugendstarken
Leidenschaft!
Du brachst in göttlich-hoher
Eigenschaft
Die Bande kühn, die um mein
Herz geschlungen,
Unbrüchlich bisher blieben,
eisenhaft;
Du Erste hast mein Lieben dir
erzwungen.
Du sprachst zu mir –
vielleicht war’s nicht dein Willen –
Zum erstenmal das
Losungszauberwort,
Du lehrtest mich die Liebe
fort und fort.
Und nichts soll meine heißen
Wünsche stillen? –
Ein zweites Sesam mög’ mich
glücklich machen:
Gib mir zurück das
langverlorne Lachen -!
5.
Ich ehre stets dein heiliges
Empfinden,
Und wenn das Herz mir
tausendmal zerbricht.
Denn über allem steht die
ernste Pflicht.
Wie aber soll ich es gefaßt
verwinden?
Ich kann Gefühle nicht an
Ketten binden,
Bezähmen nie, was fiebernd in
mir spricht.
Weh dem, der um verlorne Sache
ficht,
Er wird auch mutig keinen
Frieden finden.
So tröste jetzt mich noch, den
Freudelosen,
Mach’ mir die letzten, kurzen
Stunden schön.
Träufle mir weiter Regen roter
Rosen,
Und laß mich tief in deine
Augen sehn.
Mir fiel das schrecklichste
von allen Losen,
Ich muß verzichtend übrall
weitergehn.
6.
(du singst:)
Ich darf mich nicht an deinen
Gluten wärmen,
Und wollte ich’s auch viele
tausend Mal.
Mein Herz vergeht in
zwiegespaltner Qual,
Seh ich dich meinethalben
schmerzvoll härmen.
Wie auch im Aufruhr meine
Geister lärmen,
Weil ich es bin, die dir die
Ruhe stahl,
Wie auch das Mitleid spricht,
mir bleibt nicht Wahl,
Ich kann nur für den einen
liebend schwärmen.
Verzeihe drum, darf ich dir
das nicht geben,
Wonach dein sehnsuchtkrankes
Herz verlangt.
Für ihn muß ich in allem
Denken leben,
Dem meine Seele ihre Liebe
dankt.
Dir kann ich nur mein Mitleid
noch vergeben,
Weil auch für dich mein Herz
in Unruh bangt.
7.
Kann eine Nacht voll Dunkel
endlos währen?
Nein, einmal muß sie milder
Sonne weichen!
Kann eine Trübsal ewig uns
beschleichen?
Der Frohsinn muß doch einmal
aufbegehren!
So hoffe, Herz, und lasse dich
belehren.
Der Nacht ist deine Schwermut
zu vergleichen.
Die Sonne wird auch deine Qual
erreichen
Und sie in eine süße Freude
kehren.
Doch mußt du in Geduld dich
vorbereiten,
Um von der düstern Schwermut
zu gesunden.
Sind sie noch unerschöpflt,
die trüben Zeiten,
Es kommt der Tag, an dem sie
überwunden.
Dann wird die Sonne dir
entgegenschreiten
Und heilen deine nachtgestalt’gen
Wunden.
8.
Gedenkst du noch der schönen
Tage dessen,
Der zagend kam im ersten
Morgenrot,
Der sein erglühtes Herz dir
bebend bot,
Des Lieben jungstark war und
unermessen?
Hast du des holden Tagewerks
vergessen,
Ist die Erinnrung selbst, die
zarte, tot?
Entsinnst du dich der wilden
Liebesnot,
Von der sein Fühlen durch und
durch besessen?
So werd’ ich einst nach
langwen Monden fragen
Und bange lauschen, was dein
Herz dann spricht.
Mich quält schon jetzt: Was
wirst du darauf sagen?
„Ich dachte seiner, ich vergaß
ihn nicht?“
Doch wenn du widerriefst, wie
sollt’ ich tragen
Den zweiten, doppelt
schmerzlichen Verzicht?
XI.
Ruf der Vernichtung,
donnertrommeltönig,
Willst du die Welt im
Innersten verletzen?
Die Erde muß sich deiner Wut
entsetzen,
So fährst du her,
taubschmetternd, höllenföhnig.
Steigt Gott herab, der strenge
Herr und König,
Endrichterlich zu schützen und
zu schätzen?
Formt dieses Ungestüm aus
wirren Fetzen
Ein neues Reich, geläutert,
hundertkrönig?
Sündflutlich bäumt die Welt
sich im Orkane,
Durchrüttelnd, umgebährenmd
außen, innen,
Gleich einem selbst sich
speienden Vulkane.
Tag des Gerichtes, wirst du
jetzt beginnen?
Erscholl dein Rufen, wirbelst
deine Fahne?
Droht Untergang, quält
Neugeburt sich drinnen?
XII.
Wir wissen und verstehen
manches kaum:
Dies dumpfe Dämmern in den
Stollenkammern,
Dies kindliche,
vertrauensvolle Klammern
An mütterlicher Erde kleinsten
Saum,
Dies Duck-dich-Spiel, der
Minen Purzelbaum,
Dies Donnern, das in immer
wundersamern
Tönungen dröhnt wie Wucht von
Eisenhammern,
Das dünkt uns oft ein
schwergekämpfter Traum.
Die Lose nehmen wir, wie sie
uns fallen,
Wir wirbeln mit im wilden
Schicksalstanz,
Doch nicht als seine
knechtischen Vasallen.
Wir fassen’s nicht und träumen
es doch ganz!
Ein starker Wille wurzelt in
uns allen:
Er klärt das Unverstandene mit
Glanz.
XIII.
Ich, Sproß der Erde, ich, aus
Staub geboren,
Verflüchte mich in meiner
Mutter Schoß.
Ich riß mich eigenwillig von
ihr los,
In meinem Menschen ging ein
Sohn verloren.
Hochmütig hatte ich ihr
abgeschworen
Und hob das Haupt gen Himmel,
stolz und bloß,
Gottähnlich schien ich mir und
göttlich groß,
Ich war der Herrscher, über
sie erkoren.
Nun kehr’ ich heim und bin,
was ich gewesen,
Ein Kind der Erde und ein
reuiger Sohn.
Von meinem Übermut bin ich
genesen,
Bin ganz der Urmensch, ganz
das Urtier schon.
Ich klammre mich, ein
knechtisch-furchtsam Wesen,
An meiner großen Mutter Brust
und Thron.
XIV.
Du wilder Tod, du reitest
durch die Lüfte
Und pflügst das Feld, des
sonst der Bauer pflag.
Du mähst die Frucht mit deiner
Sense Schlag,
Du stürzt die Berge und
erhebst die Grüfte.
Wir beugen uns, das Haupt
gesenkt zur Hüfte,
Und sind gewärtig deiner Nacht
und Tag.
Wir spüren keuchend, wo dein
Atem lag,
Und flüchten, schaudernd, tief
in Schacht und Schlüfte.
Doch kehrst du auch das Unten
und das Oben
Durch deiner Waffen große Wut
und Kraft,
Wir werden unsern Trotz an
deinem proben.
Und wissen, er ist fest und
dauerhaft.
Und einer ist mit uns im Bund
dort droben,
Der unsre Herzen stark und
selig schafft.
XV.
Dort ist der Wald und dort der
Fluß im Grunde,
Hier steckt der Feind ein
ungewolltes Ziel,
Hier wurzeln wir, ein
vorgeschobner Kiel,
Zu Schirm und Schutze wachsam
jede Stunde.
Hier hebt der Reihen an im
Wechselrunde,
Der Mörserminen grausam Fangballspiel,
Hier wogt der Fußbreitkampf um
Stein und Stiel,
Hier Leib an Leib geht Wunde
wider Wunde.
Der Würfel richtet hier auf
Tod und Leben,
Mit blut’ger Münze wird hier
bar gezahlt.
Ich oder du! Du oder ich! Hier
beben
Die Herzen nicht, hier rechnet
alles kalt,
Hier gibt’s kein Atemholen,
kein Ergeben,
Und nur der Tod gebietet
endlich Halt.
XVI.
Die Nacht entsendet ihre
Vorhuttruppen,
Die müde Sonne aus dem Feld zu
schlagen.
Der Abendwind beginnt den Tag
zu jagen,
Und Dämmerung beschleicht die
flachen Kuppen.
Die Posten ziehen auf bei
ihren Gruppen. –
Die tags in düster-dumpfen
Höhlen lagen,
Sie schlürfen Licht und Lüfte
mit Behagen
Und löffeln schweigend ihre
Abendsuppen.
Nun rastet der Geschütze
wuchtig Dröhnen,
Jedoch am Himmel wächst das
harte Ringen,
Man hört die Wolkenreiter
keuchend stöhnen.
Noch einmal klimmt mit wehen
Klagetönen
Ein Mörserklotz; weit
schüttert sein Zerspringen. - -
Und leise hebt ein Posten an
zu singen.
XVII.
Ich bin der erste Mensch, von
Gott erkoren,
Bin Siegfried, Dietrich, war
im Wotan schon,
Bin Hermann, Luther, Bismarck,
bin Legion,
Das Mark der Zeiten ist in mir
beschworen.
Mein Blut ist aus
Jahrhunderten gegoren,
Ich bin der jüngste
allentstammte Sohn,
Das vollste Leben einer
Nation,
In meinem Leibe ward es
neugeboren.
So eint in mir sich Anfang,
Pol und Ende,
Von jeder Spanne höchste
Edelkraft.
Der Kreislauf schließt an
mächt’ger Schicksalswende.
Und gärend keimt, genährt vom
alten Saft,
Ein neues Volk in heilgeborner
Sende,
In harter Schmiede
zukunftsfest geschafft.
XVIII.
Wer rechnet noch geduldig nach
den Tagen
Die lange Prüfung, die uns wie
ein Traum
Vernichtet den Begriff von
Zeit und Raum,
Wer wagt es noch, nach
Monmdenzahl zu fragen?
Ein jeder scheut die Antwort
sich zu sagen
Und glaubt das zögernd
Ausgesprochne kaum.
Die bange Ewigkeit zerrann zu
Schaum,
Die wir zwei Jahre mühevoll
getragen.
Die Stunden schleppten sich in
faulem Gange,
Die Tage krochen unerbittlich
träg.
Und doch bedünkt uns heute
kurz dies Lange,
Wenn wir hochatmend uns nach
rückwärts wenden;
Und sehn wir vorwärts unsern
Dornenweg,
So seufzen wir: mWann wird
dies Leiden enden?
XIX.
Wer findet Pfad und Richtung
in den Gräben,
Die wie im taumelwirren
Zickzack wanken?
Wer überspringt die
erdgewühlten Schranken
Und wagt dem Labyrinth sich zu
entheben?
Ach, festgebannt ist unser
Stückchen Leben,
Wir müssen tastend zwischen
Wällen schwanken,
Die Welt liegt blind in
träumenden Gedanken,
Ihr freier Anblick ist uns
nicht gegeben.
So kauern wir, Verfemte der
Gemeine,
Und harren duldsam, willig im
Entsagen,
Und kämpfen doch im edelsten
Vereine
Als Ritter, die der Freiheit
Banner tragen.
Verstehen wir Gefangene dies
eine,
Wird jeder frei sein und wird
keiner klagen.
XX.
Wie siecht der Mann dahin, zum
Tod ermattet,
Milchbleich und schlaffig in
den zähen Sehnen,
Die Muskeln lassen sich nur
mergelnd dehnen,
Ein Lebender, scheint doch der
Leib bestattet.
Wie Gelbsucht sich den hohlen
Wangen gattet!
Das Knie will eckig sich
zusammenlehnen,
Die Augen quellen rot und matt
in Tränen,
Als wie von Spinnenschleiern
trüb umschattet.
Die ausgeschweißten
Knochenkörbe schrumpfen,
Die Lungen serbeln stickig und
zersogen:
Wie sind die jungen Keime in
den dumpfen
Preßlöchern doch um jede Kraft
betrogen!
Nur Herz und Hirn entgingen
dem Verstumpfen,
Der Willegeist blieb stark und
ungebogen.
XXI.
Die Luft durchfurchend
schlurfen an die Schweren,
Von fern schon heulend,
knirschend in den Zähnen.
Sie packen, beutegierig wie
Hyänen,
Ihr Opfer, das nicht mächtig,
sich zu wehren.
Sie sind Nordfrankreichs
Ackervolk, sie kehren
Die Felder um zu Wüstenein, in
denen
Schlundtiefe Trichter lebenhöhnend
gähnen.
Die Welt muß ihren toten Kern
gebären.
Wo diese Wüteriche wuchtend
pflügen,
Da keimt kein Halm mehr, noch
so dürr und nieder,
Da kriecht kein Wurm, da wühlen
keine Ratten.
Da liegt die Erde in den
letzten Zügen,
Ins Ödland reckt der Stein die
nackten Glieder,
Und rundum lastet ewigkalter
Schatten.
XXII.
Sonst gruben Mönche sich in
hohen Jahren,
Wenn sie verspürten ihrer Tage
Ende,
Das eigne Grab durch Fleiß der
eignen Hände,
Um eine stille Stätte sich zu
wahren.
Wie ihre Zellen schlicht und
einfach waren,
So maßen sie begrenzt den Zoll
der Wände,
Bedacht, daß nur der Leib hier
Ruhe fände,
Schien ihre Demut selbst im
Tod zu sparen.
Uns ist ein ähnliches Geschick
gegeben:
Wir schaufeln auch mit Eifer
unsre Grube,
Doch nicht zu sterben, sondern
drin zu leben.
Und doch wird uns vielleicht
zum Grab, was eben
Uns noch geschützt, die traute
enge Stube,
Da zwischen Tod und Dasein
stets wir schweben.
XXIII.
Grobknochig, breit in
Schultern und in Schenkeln,
Dehnen sie sich im Graben,
plaudernd, spuckend,
Den Rauch der Zigaretten
lungenschluckend,
In leiser Freude an vergnügtem
Zänkeln.
Die Arme eingestemmt, gleich
starken Henkeln,
Die Muskelwülste schwer im
Spiele zuckend,
Den dicken Nacken lässig
niederduckend,
Scheint trotz der Kraft ihr
Innenleib zu kränkeln.
Und einer lehnt sich hin und
lallt, fast zage,
Ein Durcheinander heimatlicher
Lieder
In plärrender und unbeholfner
Klage.
So, erdumschlossen ewig
gleiche Tage,
Hoffen und fragen sie doch
täglich wieder,
Wie Kaiser Barbarossa in der
Sage.
XXIV.
Heut bin ich
Tiefbauunternehmer, morgen
Ein treuer Gärtner, der sein
Reich umfriedet
Mit Stacheldraht, heimtückisch
spitzgeschmiedet;
Ein Übersteigen hat er nicht
zu sorgen.
Von der Natur muß ich mein
Werkzeug borgen
Und nehmen, was sie mir gerade
bietet,
Ehgestern hab’ ich Balken
festgenietet,
Und einen Sumpf entwässr’ ich
übermorgen.
Ihr fragt mich schüchtern, was
ich im Berufe,
Ich sei vielleicht ein Farmer
und Inspektor?
Ich will euch lächelnd meinen
Stand verraten:
Zwar zieh’ ich Draht und baue
Stein und Stufe
Und pumpe Wasser, messe mit
dem Sektor,
Doch nenn’ ich stolz mich –
Leutnant und Soldaten.